IDC
Wo stehen die Firmen in der Schweiz Ihrer Meinung nach bei der digitalen Transformation?
Yves Zischek
Wie fast überall auf der Welt hat sich die Digitalisierung im Zuge der Pandemie auch in der Schweiz beschleunigt, insbesondere in den grösseren Unternehmen. Viele Firmen haben die Evaluierungs- und Planungsphasen nun abgeschlossen und beschäftigen sich jetzt mit der eigentlichen Umsetzung.
Digitale Transformation heisst auch stärkerer Einsatz von Cloud-Technologien. Es werden überall neue Rechenzentren gebaut – ein klares Zeichen dafür, dass die Nachfrage weiter steigt. Die Cloudifizierung und die wachsenden Anforderungen an die lokale Datenhaltung lösten bei Interxion Schweiz zwischen 2019 und 2022 einen Anstieg von 4 auf ganze 41 Megawatt Leistungskapazität aus.
Interessant ist auch, dass, je grösser die Unternehmen sind, sie auch umso mehr Cloud Services nutzen. Dabei bevorzugen sie Clouds mit einem Standort in der Schweiz, sowohl physisch als auch was den Datenstandort angeht.
IDC
Die digitale Transformation schreitet in der Schweiz auch im Jahr 2022 immer stärker voran. Welche Themen sind aus der Perspektive Ihres Hauses in diesem Jahr besonders spannend und beachtenswert?
Yves Zischek
Spannende Themen sind sicherlich Datensicherheit, Cybersecurity und souveräne Clouds. Unternehmen haben erkannt, wie wertvoll ihre Daten sind, und auch, wie angreifbar sie sein können. Sie fokussieren sich darauf, wie sie mit Daten ihre Kundenbeziehungen verbessern können.
Um die Wertschöpfung zu optimieren und in Zukunft optimal aufgestellt zu sein, sind die richtigen Strategien gefragt. Konnektivität, sicherer Austausch mit dem Ökosystem und weltweite Verfügbarkeit sind dabei ein Muss.
Edge Computing ist ein weiteres Thema, das vor allem für einen Teil der Finanzindustrie und in der IT-Industrie spannend ist, die anderen Branchen verhalten sich hier eher abwartend. Die Datenverarbeitung wandert allgemein näher an die Nutzer.
IDC
Sie sprechen kontinuierlich mit Entscheidern. Was sind die wichtigsten technologischen und geschäftlichen Herausforderungen für Schweizer Unternehmen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben?
Yves Zischek
Der Trend in die Cloud treibt auch das Datenwachstum rasant an. Mit immer mehr Standorten, Usern und Geräten, die im ständigen Austausch stehen, wächst die Data Gravity. Je mehr Daten ein Unternehmen ansammelt, desto mehr Daten zieht es auch an. Und das führt zu weiteren Daten. Dies ist der gleiche Effekt, den die Schwerkraft auf Objekte um einen Planeten herum hat.
Data Gravity schafft ab einer gewissen Grösse Barrieren, die den effizienten Austausch von Daten behindern. Das sind ganz neue Anforderungen an die IT-Infrastruktur. Für Unternehmen stellt sich die Frage, wie sich der Wechsel von einer anwendungszentrierten zu einer datenzentrierten Architektur gestalten lässt.
IDC
Welche Empfehlungen geben Sie Entscheidern und mit welchen Angeboten unterstützen Sie IT-Organisationen und Fachbereichs-IT in den Unternehmen im Detail?
Yves Zischek
Es ist wichtig, dass Unternehmen einen neutralen Treffpunkt bauen, an dem sich Kunden, Partner und ihre Daten miteinander verbinden. Die IT-Infrastruktur muss heute leistungsfähig und zu jeder Zeit verfügbar sein.
Vielen Unternehmen fehlt allerdings das Fachpersonal, um die IT-Infrastruktur rund um die Uhr zu betreuen. Ausserdem erhöht sich der Aufwand für Datenschutz, Sicherheit und Compliance mit der Menge an Daten und der Komplexität der Infrastruktur.Auch sind die Kosten für Betrieb, Wartung und Instandhaltung sehr hoch. Im Rechenzentrum werden diese Kosten auf alle Nutzer umgelegt, wodurch der eigene Anteil eines Unternehmens deutlich geringer ausfällt. Ebenso verschieben sich dadurch Investitions- und Betriebskosten, da Unternehmen die bestehende Rechenzentrumsinfrastruktur mieten.
Neben wirtschaftlichen Überlegungen motivieren auch ökologische Aspekte eine Verlagerung der eigenen Workloads in Colocation oder in die Cloud, da die grossen Rechenzentren deutlich effizienter betrieben werden können und auch die Abwärme ökologisch sinnvoll genutzt wird.
IDC
Werfen wir einen Blick voraus: Wie wird die Nutzung von IT-Ressourcen in den nächsten zwei bis drei Jahren idealerweise aussehen? Welche Themen sehen Sie hier?
Yves Zischek
Schweizer Unternehmen planen, ihre Anwendungen in immer stärkerem Umfang in Clouds ausserhalb des eigenen Rechenzentrums zu verlagern. Firmeneigene Rechenzentren werden sich deshalb zunehmend leeren.
Der Trend geht klar in Richtung Multi-Cloud. Langfristig könnten sich viele Unternehmen hin zu einem „Haupt-Cloud“-Ansatz entwickeln: Alle Standardanforderungen werden über die Haupt-Cloud abgedeckt – das heisst Effizienzgewinne und wegen der hohen Consumption auch teils hohe Discounts. Anforderungen, welche die Haupt-Cloud nicht oder nur schlecht abdecken kann, werden über andere CSP abgedeckt.
Eine echte Multi-Cloud werden wir vor allem bei grösseren Unternehmen sehen, die entsprechend in Mitarbeitende und Infrastruktur investieren können, um die Vorteile einer Multi-Cloud-Umgebung zu nutzen. Unabhängig davon bin ich der Meinung: Egal ob Multi- oder Single-Cloud, die Zukunft wird hybrid.