Ein neues Thema drängt auf den Markt: Corporate Digital Responsibility – kurz CDR.
Lieber Herr Professor Brink, was verbirgt sich dahinter?
Unternehmen sind weltweit bereits für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Gesellschaft und die Umwelt verantwortlich. Stichworte sind hier Corporate Social Responsibility und Sustainability. Mit der Corporate Digital Responsibility rückt nun die digitale Verantwortung verstärkt in den Fokus. Darunter fallen Themen wie der Umgang mit Daten, digitale Bildung oder digitale Teilhabe, aber auch Datensicherheit und Klimaschutz. Es geht letztlich um die Ausdehnung der unternehmerischen Verantwortung auf den digitalen Raum – und das freiwillig, also über die gesetzlichen Anforderungen wie die Datenschutzgrundverordnung hinaus.
Woher kommt diese Dynamik?
Wir erleben gerade die Digitalisierung unserer Lebens- und Arbeitswelt mit fundamentalen Auswirkungen auf Mensch und Natur. Umso wichtiger ist es, dass sich Führungskräfte und Mitarbeitende über die digitalen Konsequenzen ihrer Geschäftstätigkeit im Klaren sind. Die Digitalisierung ist hochgradig ambivalent, sie kann also Gutes und Schlechtes gleichermaßen bewirken. Die Digitalisierung hilft zum Beispiel durch die Bereitstellung von Daten bei der Bewältigung der Klimakrise, zugleich stellt sie uns gerade in Fragen der Energieversorgung vor kritische Herausfoderungen, denn Digitalisierung braucht Strom. Das muss man immer im Blick haben. Wir alle kennen unzählige Alltagsbeispiele, wie die Digitalisierung unser Leben vereinfacht, aber auch gefährlicher macht.
Sehen Sie die Rechenzentrumsbetreiber als besonders herausgefordert, da ihr Geschäftsmodell ja den digitalen Raum betrifft?
Definitiv. Man denkt bei Digitalverantwortung zunächst an die großen US-Unternehmen wie Google, Amazon, Meta oder Apple. In Zukunft werden aber auch die Anbieter von Rechenzentren die CDR-Debatte mitbestimmen. Schließlich liefern sie die Infrastruktur für unsere Daten-Wirtschaft. Sie sind sozusagen Ermöglicher der Digitalisierung und damit nicht nur in einer rechtlichen, sondern auch in einer moralischen Verantwortung.
Da würde ich gerne einhaken. Warum sollte sich ein Kunde für die Nachhaltigkeitsthemen seines Rechenzentrums interessieren?
Nehmen wir eine Bank, ein Pharmaunternehmen oder einen Automobilhersteller. Diese Unternehmen haben mittlerweile selbst ein avanciertes Nachhaltigkeitsmanagement etabliert. Viele haben eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, Themenfelder definiert, Maßnahmen umgesetzt, Kennzahlensysteme eingeführt und berichten bereits nach nationalem oder internationalem Standard. Durch die Corporate Social Responsibility Direktive gewinnt das Thema weiter an Dynamik. Man rechnet allein in Deutschland mit über 10.000 Unternehmen, die der neuen Berichtspflicht unterliegen. Unternehmen müssen darüber hinaus einen Beitrag zur Klimaneutralität leisten und schauen daher sehr genau zum Beispiel in den Stromverbrauch ihrer Wertschöpfungsketten. Durch das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wird das Thema noch wichtiger.
Sind die Betreiber von Rechenzentren schon hinreichend für das Thema Digitalverantwortung sensibilisiert?
Ich befürchte nein. Rechenzentren waren bislang eher in einer moralischen Komfortzone unterhalb des Radars. Durch den massiven Ausbau der letzten Jahre hat sich diese Situation allerdings geändert. Regionale Anfragen zur Nachhaltigkeit von Rechenzentren werden zunehmend registriert und öffentlich diskutiert. Hier muss man Antworten liefern. Rechenzentrumsbetreiber müssen aus der Deckung kommen.
Was empfehlen Sie Interxion auf dem Weg in eine digitale und nachhaltige Welt?
Die grüne EU-Taxonomie gilt ab 2023 und hat viele Unternehmen bereits heute in Alarmbereitschaft gesetzt. Wenn ich das richtig sehe, sind Sie hier bereits sehr gut aufgestellt. Auch besser als der Markt. Sie nutzen 100% Ökostrom. Und Sie haben mit Digital Realty eine starke Muttergesellschaft. Das schafft Vertrauen. Klimaschutz ist aber nur eines von insgesamt 17 Nachhaltigkeitszielen, die die Vereinten Nationen 2015 verabschiedet haben – nämlich das Sustainable Development Goal 13. Viele Unternehmen machen den Fehler, Verantwortung auf den Klimaschutz zu beschränken und sich auf dem Erreichten auszuruhen. Es geht aber um mehr: um nachhaltige Städte, menschenwürdige Arbeit, Gesundheit, Bekämpfung von Hunger und Armut, um einige Beispiele zu geben. Daher empfehle ich, weitere Akzente zu setzen und damit die anderen SDGs in den Blick zu nehmen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz z.B. für smart cities funktioniert auf der Grundlage einer sich entwickelnden digitalen Infrastruktur.
Und wie wäre die Umsetzung?
Solche Schwerpunkte können Sie am besten gemeinsam mit Ihren Partnerunternehmen setzen. Hier sollten sich die besten Unternehmen frühzeitig austauschen, in Gesprächsformate eintreten und nach Best Practices suchen. Wenn es gelänge, Dialoge anzustoßen, dann wäre viel geschafft. Wir befinden uns in einem weltweiten Lernprozess. Wir begleiten in diesem Zusammenhang seit zwei Jahren die CDR-Initiative des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und arbeiten mit einigen führenden Unternehmen an CDR-Praktiken. Ethik wird zu einem Wettbewerbsvorteil und auch zu einem Attraktor auf dem Arbeitsmarkt. Sie können Ihren jungen Fachkräften verdeutlichen, wie sie bei Interxion die digitale Transformation verantwortungsvoll gestalten.
Herr Professor Brink, Sie begleiten uns bei der Entwicklung einer Corporate Digital Responsibility.
Worauf dürfen wir uns in nächster Zeit freuen?
Ihr Unternehmen ist in einer einzigartigen Ausgangslage. Sie gestalten die digitale Transformation. Sie können dieses Mandat nun zusätzlich für die Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft einsetzen. Mit ihrem Kernwert rund um Connectivity treffen Sie den Puls der Zeit, weil sie anschlussfähig an verschiedene Branchen sind wie Transport, Logistik, Automobil, Telekommunikation und Banken und auch andere Stakeholdergruppen wie Verbraucher (siehe z.B. #YourClickMatters). Gemeinsam mit Ihren Partnerunternehmen können Sie gut Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Wir wollen nun erste Maßnahmen konsequent umsetzen: Schritt für Schritt.
Lieber Herr Brink, vielen Dank für das Gespräch.